- Geschichte und Funktionen von Tracht
- Bedeutung für die Altriper Tracht
2.1. Farbgebung
2.2. Schnitt
2.3. Stoffe
2.4. Schmuck / Accessoires - Landhaus-/ Trachtenmode vs. Tracht
1. Geschichte und Funktionen von Tracht
Der Landesverband der Heimat- und Trachtenverbände Baden-Württemberg bringt es auf den Punkt:
„Tracht kommt von tragen.
Der Begriff Tracht kommt vom althochdeutschen Wort „traht“, und bedeutet, „dass was getragen wird“. Heute versteht man darunter die traditionelle regionaltypische Bekleidung. Sie ist also eine überlieferte Kleidung. Sie wurde im Zuge der kulturellen und modischen Globalisierung weitgehend zurückgedrängt. Heute wird sie meist nur noch als Festtagstracht und in Vereinen und Gruppen zur Erhaltung der Trachtentradition getragen.
Tracht war reglementiert
Trachten nach heutigem Verständnis entwickelten sich im 16. Jahrhundert. Das Kleidungsverhalten richtete sich nach dem Stand der Trägerin bzw. des Trägers. Kleiderordnungen und Erlasse wiesen jedem Stand bestimmte Stoffe und Formen zu. Diese Kleiderordnungen wurden auch streng kontrolliert. Wenn dagegen verstoßen wurde, hatte es entsprechende Strafen zur Folge. Dennoch boten sich auch innerhalb des strengen Reglements der herrschaftlichen Kleiderordnungen Möglichkeiten zur besonderen Ausschmückung. Standes-, Amts- oder Zunfttrachten unterlagen anderen Bedingungen, denn hier regelte die jeweilige Zunft das Kleidungsverhalten.
Tracht war Zeichen der Religionszugehörigkeit
Erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts setzte die Trachtenentwicklung ein. Die Zeit um 1600 war geprägt von Wohlstand und Kleiderpracht, die auch bei der Landbevölkerung zu spüren war und auch in der Trachtenkleidung zum Ausdruck kam. Bis dahin war die Kleidung eher einfach, dunkel und meist in Naturfarben gehalten. Die konfessionelle und politische Zersplitterung dieser Zeit führte dazu, dass sich die Volkstrachten unterschiedlich entwickelten, denn der jeweils Regierende bestimmte die Religion der Untertanen. Vorderösterreich und große Teile Badens verblieben mit ihren Untertanen beim Katholizismus, während Württemberg die Reformation und nachfolgend den Pietismus [in der Kurpfalz war dies vergleichbar durch den Calvinismus; Anmerkung] als besonders kleidungsprachtfeindliche Glaubensform einführte.
Tracht war auch Mode
In der Folgezeit ging die Tracht auch ein Stück weit mit der Mode, sonst hätte sie nicht überlebt. Durch die Erfindung des mechanischen Webstuhls wurde es möglich, massenhaft günstige Stoffe herzustellen, die über ganz Europa vertrieben wurden. Zeitgleich mit der industriellen ging die politische Revolution einher. Die Menschen ließen sich nicht mehr vorschreiben, was sie tragen durften und was nicht. Die Kniebundhosen und der Dreispitz der Männer wurden zum Symbol der alten Zeit, während moderne Männer Anfang des 19. Jahrhunderts lange Hosen und den Zylinder trugen. Das 19. Jahrhundert war bestimmt durch das Verschwinden der über Jahrhunderte tradierten Trachten. Ende des 19. Jahrhunderts kam es im Zuge einer romantischen Heimatbewegung zur Gründung von ersten Trachtenerhaltungsvereinen.“
http://www.trachtenverband-bw.de/trachten/geschichte/
„Die Tracht ist Ausdruck einer meist dörflichen Gemeinschaft und eines gemeinsamen Lebens in dieser Ordnung. Im Mittelpunkt steht nicht die Trägerin oder der Träger, vielmehr dient die Kleidung zur Präsentation von Besitz und Wohlstand. Je mehr Stoff in der Tracht Verwendung fand, je mehr Knöpfe auf den Westen saßen, desto reicher war der Träger oder die Trägerin der Tracht. In manchen Regionen wurden daher die Westenknöpfe so eng nebeneinander gesetzt, dass sie kaum Platz hatten; die Röcke so tief in Falten gelegt, dass sie eine nahezu unzumutbare Schwere erreichten. Die Ausprägung der Tracht hatte natürlich finanzielle Grenzen, die die soziale Schichtung der Bevölkerung deutlich machte. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass man die Grenzen der einzelnen dörflichen Gesellschaftsschichten nicht übertreten durfte, selbst wenn die finanzielle Basis gegeben war, sich eine aufwendige Tracht anzuschaffen.
Die Kleidung lieferte dem kundigen Betrachter eine Vielzahl von Informationen. Sie zeigte deutlich an:
- aus welcher Region die Tracht stammt,
- aus welchem Dorf der Träger oder die Trägerin stammt,
- deren soziale Stellung innerhalb der Dorfgemeinschaft,
- die augenblicklichen wirtschaftlichen Verhältnisse,
- den Personenstand: Schürze, Kopfbedeckung, Strumpfbänder, Brustuch, Mieder, Ärmel (rot: Mädchen, unverheiratete junge Frauen; grün: verheiratete junge Frauen; violett: verheiratete ältere Frauen; schwarz: Frauen in Trauer, Witwen)
- die Trauerstufe (Voll-, Halb-, Vierteltrauer, Freudenzeit) sowie den
- den Anlass (Abendmahl, sonntäglicher Kirchgang, gewöhnlicher Sonntag, Hochzeit, Kommunion, Konfirmation usw.).“
https://www.wikiwand.com/de/Tracht_(Kleidung)
2. Bedeutung für die Altriper Tracht
Eine rekonstruierte Tracht betrachtet die Ausführungen einer Tracht zu einer bestimmten Zeit (für die Altriper Tracht: Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts). Es entsteht ein “Mode-Schnappschuss”, die Tracht zu dieser Zeit wird quasi “eingefroren”.
Diese Zeit, für die die Tracht rekonstruiert werden soll, gibt ihr in verschiedenen Bereichen gewisse Normen vor.
Das bedeutet überhaupt nicht, dass jedes Trachtenensemble gleich aussieht, im Gegenteil, aber dass es bestimmte Leitplanken gibt, innerhalb deren man “sich austoben” und seine Tracht individuell gestalten kann.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass die Gestaltungsmöglichkeiten nicht völlig frei sind und man innerhalb dieser Leitplanken bleiben muss, wenn man von der rekonstruierten „Altriper Tracht“ spricht.
Aus welchen Gründen wir verschiedene Farben, Ausführungen… wählten, ist jeweils bei den Einzelteilen der Tracht beschrieben.
2.1. Farbgebung
Hier spielen für die Altriper Tracht v.a. zwei Faktoren eine Rolle:
a. die Konfession
Die Kurpfalz, zu der Altrip gehörte, wurde nach der Reformation zunächst lutherisch, dann unter Kurfürst Karl I. Ludwig ab 1649 „reformiert“, also calvinistisch. Für die Farbgebung unserer Tracht bedeutet das die Wahl von relativ gedeckten Farben, dunkelblau oder schwarz; nach Karl-August Becker,“Die Volkstrachten in der Pfalz“, S. 60, http://www.rpb-rlp.de/107t01022328
b. Blau und schwarz als Modefarben des 19. Jahrhunderts
“In der Tracht des neunzehnten Jahrhunderts war in unserer Gegend neben dem Blau der Männer für den Festtag schwarz sehr beliebt. Bei Männern treffen wir es wohl nur als Farbe der Hosen, besonders des Manchesters, dann der Hüte und Halsbinden und der Schuhe.“ Karl-August Becker,“Die Volkstrachten in der Pfalz“, S. 154, http://www.rpb-rlp.de/107t01022328
2.2. Schnitt
Die Schnitte aller Trachtenteile gehen auf historische Vorlagen zurück, sei es, dass sie im Beckerbuch verzeichnet sind, sei es, dass wir diese aus alten Kleidungsstücken rekonstruieren konnten. Ein Stilmix aus alt und neu ist in der rekonstruierten Tracht nicht möglich.
2.3. Stoff
Hier greifen wir zurück auf nicht-synthetische Stoffe wie Leinen, Wollstoffe Seide, für die Männerhose auch Manchester-Cord; alles Stoffe, die es im 19. Jahrhundert gab und für unsere Gegend belegt sind.
2.4. Schmuck / Accessoires
Die Trachten in der Pfalz (im Unterschied zu denen in Baden und im Elsass) fielen wohl generell durch ihre Einfachheit auf: „Kein auffallender Prunk, keine Gold- und Silberflitter, keine silbernen Geldstücke als Knöpfe an dass Röcken und Westen, keine an silbernen Ketten hängende Schaumünzen oder sonstiger auffallender Schmuck“,: Herzog, Fritz: Die Tracht in der Pfalz, in: Pfälzische Landeskunde, Beiträge zu Geographie, Biologie, Volkskunde und Geschichte, S. 465 http://www.rpb-rlp.de/107t202067
Abgesehen davon, dass es sich bei den meisten Altripern um relativ arme Fischer handelte, hätte hier auch die Konfession eine Zurschaustellung von Reichtum untersagt.
Ansonsten stellt sich natürlich die Frage, welche Formen und Motive kann man wählen für Anhänger, Knöpfe, Stickereien o.ä.? Das lässt sich eher eingrenzen durch das, was keinen Sinn macht. Das betrifft so ziemlich alles Alpenländische, z.B. Edelweißmotive o.ä. wie sie heute im Zuge der Landhausmode beliebt sind, oder auch zu „futuristische“ Motive.
In unserer rekonstruierten Tracht aus dem 19. Jahrhundert kann man davon ausgehen, dass man Materialien von „vor Ort“ benutzte.
Was die Motive betrifft (z.B. bei Knöpfen oder Stickereien), so sollte es relativ schlicht sein, passend zur „reformierten“ Konfession (Calvinismus).
Man könnte sich z.B. aus den Handzeichen der Altriper Fischer bedienen oder anlehnen (s. Altrip, Portait eines Dorfes, S. 270 f.) , oder z.B. auch Ankermotive aufgreifen. Auch Blumen sind nach den Kleidungsstücken aus Speyer möglich.
Knöpfe können mit dem Stoff des Leibchens oder Gilet bezogen werden bezogen werden. Außerdem sind Posamentenknöpfe möglich.
3. Trachten-/Landhausmode vs. Tracht
Hier möchten wir auf den Wiki-Artikel verweisen:
„Trachtenmode ist modische Bekleidung, die sich in ihren Schnitten, Materialien, Stoffmustern und Accessoires aus dem vielfältigen Formen der Tracht bedient, ohne selbst Tracht sein zu wollen. Trachtenmode orientiert sich an aktuellen Modetrends und moderner Alltagskleidung.
Nach wissenschaftlicher Definition ist Trachtenmode „die Nutzbarmachung volkstrachtlicher Elemente für die Bedürfnisse der Mode. Nutzbarmachung in zweifachem Sinn: Adaption der erwähnten Elemente für den praktischen und in der Regel auch ästhetischen Gebrauch, aber auch Nutzbarmachung im Sinne der ökonomischen, industriellen und finanziellen Verwertung und Vermarktung der modisch adaptierten Trachtenkleidung.“ Kennzeichnend für den Unterschied zur überlieferten Tracht ist vor allem ihr kurzfristiger bzw. saisonaler Charakter;“ …
https://de.wikipedia.org/wiki/Trachtenmode
Es wird deutlich, dass es hier – im Gegensatz zur Tracht – eigentlich wenig Einschränkungen durch bestimmte Vorgaben gibt.
Altrip, Pfalz, Kurpfalz, Deutschland